
Auf einen Blick
Die Schweiz steht seit Jahren vor grossen Herausforderungen im Bereich der Firmenbesteuerung und der AHV. Die AHV-Steuervorlage bringt die Schweiz endlich einen Schritt weiter. Sie leitet die Lösung des drängenden Problems der Firmenbesteuerung ein. Dieses Problem belastet unser Land gravierend. Zahlreiche Schweizer Firmen steuern von hier aus bedeutende Aktivitäten im Ausland. Zudem haben Firmen aus der ganzen Welt die Schweiz als Standort gewählt, zahlen hier Steuern, schaffen attraktive Arbeits- und Ausbildungsplätze, sind durch ihre Investitionen, ihre Geschäft- und Forschungstätigkeiten Partner zahlloser KMU. Das Steuerumfeld für diese Firmen hat sich jedoch weltweit grundlegend geändert. Die AHV-Steuervorlage schafft die notwendigen steuerlichen Anpassungen, damit die Schweiz auch in Zukunft unter den Unternehmensstandorten zu den Besten gehört. Zudem leistet die AHV-Steuervorlage einen Beitrag an die nötige Stabilisierung der AHV. Dies liegt im Interesse einer sicheren Altersversorgung. Die Vorlage bringt die Schweiz weiter. Dafür ist die Wirtschaft bereit, im Interesse der Schweiz ihren Beitrag zu leisten.
Das Wichtigste in Kürze
Die Schweizer Unternehmensbesteuerung ist heute attraktiv und der Staat profitiert enorm vom Steuersubstrat internationaler Firmen. Um diesen Erfolg weiterzuführen, sind Anpassungen dringend nötig. Das internationale Umfeld verunmöglicht die bisherige kantonale Praxis, ausländische Gewinne privilegiert zu besteuern. Nichtstun bedeutet den Verlust der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz. Die Kantone brauchen Unterstützung, um den Wegfall der Sonderbesteuerung zu bewältigen.
Mit der AHV-Steuervorlage erhalten die Kantone einen steuerlichen Werkzeugkasten. Sie können ihre heutigen Sonderregeln durch neue, international unbestrittene Instrumente wie die Patentbox ersetzen. Zudem erhalten Kantone, Städte und Gemeinden finanzielle Unterstützung vom Bund. Das Paket ermöglicht es, den Übergang in die neue Steuerwelt so schonend wie möglich zu gestalten. Ohne die Bundesvorlage erhielten die Kantone keine finanzielle Unterstützung und das einzige verfügbare Instrument zur Kompensation der wegfallenden Sonderbesteuerung wären Gewinnsteuersenkungen.
Auch bei der AHV ist die heutige Situation nicht haltbar. Mit der Pensionierung der «Babyboomer»-Jahrgänge und nach mehreren gescheiterten Reformversuchen befindet sich das Sozialwerk in akuten finanziellen Schwierigkeiten. Für die AHV sieht die Vorlage eine Zusatzfinanzierung durch Bund, Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor. Ein Beitrag an das akute Finanzierungsproblem. Für eine nachhaltige Stabilisierung der AHV bleiben strukturelle Massnahmen nach wie vor zwingend.
economiesuisse unterstützt die AHV-Steuervorlage als eine politisch ausgewogene Antwort auf dringliche Probleme der Schweiz. Die Wirtschaft ist bereit, im Interesse der Schweiz ihren Beitrag zu leisten.
Position economiesuisse
Die Wirtschaft unterstützt die AHV-Steuervorlage aus diesen Gründen:
- Die AHV-Steuervorlage ist eine politisch ausgewogene Antwort auf zwei der dringlichsten Probleme der Schweiz; alternative mehrheitsfähige Lösungen sind nicht absehbar.
- Die heutige steuerliche Situation lässt sich nicht aufrechterhalten, Firmen können die kantonale Sonderbesteuerung im internationalen Umfeld nicht länger anwenden. Nichtstun bedeutet somit den Verlust der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit.
- Die AHV-Steuervorlage garantiert den Kantonen international verbreitete Ersatzinstrumente sowie finanzielle Mittel, um den Übergang in die neue Steuerwelt so schonend wie möglich zu gestalten. Ohne die Bundesvorlage erhielten die Kantone keine finanzielle Unterstützung und das einzige verfügbare Instrument wären Gewinnsteuersenkungen, die mit hohen Kosten verbunden sind.
- Der Erhalt der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit ist zentral für die Stabilität der öffentlichen Haushalte von Bund, Kantonen und Gemeinden; in der Vergangenheit hat die Schweiz enorm vom Steuersubstrat internationaler Unternehmen profitiert, diesen Vorteil gilt es zu erhalten.
- Auch bei der AHV ist der heutige Zustand nicht haltbar. Die vorgesehene AHV-Zusatzfinanzierung ersetzt eine substanzielle Mehrwertsteuererhöhung. Im Rahmen von AHV 21 fordert economiesuisse dringend nötige strukturelle Massnahmen auf der Leistungsseite.

Erfolgreicher Steuerstandort – Status quo ist nicht haltbar
Finanzielle und volkswirtschaftliche Bedeutung
Firmen, die einen Grossteil ihres Gewinns im Ausland erwirtschaften, unterstehen heute einer Sonderbesteuerung. Ausländische Gewinne werden so tiefer besteuert als inländische. Davon profitieren Konzernhauptsitze ausländischer Firmen, aber auch wichtige international tätige Schweizer Unternehmen. Sie sind für die Schweizer Volkswirtschaft und den Fiskus bedeutend. Hier die Zahlen:
- Rund 24’000 Gesellschaften unterstehen der Sonderbesteuerung
- Sie beschäftigen direkt rund 150’000 Angestellte. Ihre Beschäftigungswirkung ist aber grösser, da mit jedem direkten Angestellten schätzungsweise 1,6 Arbeitsplätze ausserhalb dieser Gesellschaften verknüpft sind. So profitieren etwa viele KMU als Dienstleister und Zulieferer von der Nachfrage spezialbesteuerter Firmen.
- Sie tätigen fast 50 Prozent der gesamten privaten Investitionen in Forschung- und Entwicklung (etwa 6 Milliarden Franken) und bieten damit zukunftsfähige Arbeits- und Ausbildungsplätze für das Zeitalter der Digitalisierung.
- Firmen mit Sonderbesteuerung bezahlen die Hälfte der Gewinnsteuereinnahmen des Bundes.
- Sonderbesteuerte Firmen liefern insgesamt bei Bund und Kantonen rund 7 Milliarden Franken Gewinnsteuern ab. Durch weitere Steuerbeiträge (Kapitalsteuer, Immobilien- und Grundstückgewinnsteuern, Mehrwertsteuer), erhebliche Sozialversicherungsabgaben und die Einkommensteuer der Beschäftigten leisten diese Gesellschaften weitere Milliardenbeträge an den Staat.
Das steuerliche Umfeld für international tätige Firmen hat sich drastisch verändert. Ausländische Staaten akzeptieren heute nicht mehr, wenn bei ihnen Firmen aktiv sind, die in der Schweiz eine steuerliche Sonderbehandlung geniessen. Dass ausländische Gewinne tiefer besteuert werden als inländische widerspricht den neuen internationalen Standards. Als wichtige Gegenmassnahme haben die G-20 und die OECD einen verpflichtenden automatischen Informationsaustausch auch im Bereich der Unternehmenssteuern eingeführt (Informationsaustausch von Steuervorbescheiden, Austausch länderbezogener Berichte). Ausländische Steuerbehörden sind damit über die steuerliche Behandlung von in der Schweiz ansässigen Firmen informiert. Unternehmen, die die Schweizer Sonderregeln weiterhin anwenden, müssen im Ausland mit Sanktionen und Doppelbesteuerungen rechnen. Faktisch wird die Nutzung der Sonderbesteuerung damit verunmöglicht. Doppelbesteuerungen sind bereits heute ein zunehmendes Problem (siehe Grafik 1). Sollten die G20/OECD oder die EU die Schweiz offiziell auf eine Liste von Staaten mit schädlichen Steuerpraktiken setzen, würden Doppelbesteuerungen gravierend ansteigen. Ohne Anpassungen verliert der Standort Schweiz deshalb die steuerliche Attraktivität für internationale Firmen.
Grafik 1
Wird ein Unternehmen doppelt in der Schweiz und im Ausland besteuert, kann ein Verständigungsverfahren zwischen den beiden Staaten eingeleitet werden. Die Zahl ungelöster Verfahren steigt stetig an: eine zunehmende Belastung für international tätige Unternehmen.


Steuervorlage als Werkzeugkasten und Hilfspaket für die Kantone
Im heutigen internationalen Umfeld können Firmen die Sonderbesteuerung, wie sie vor allem in den Kantonen gilt, nicht länger nutzen. Mit dem Wegfall der Sonderregeln steigt die Steuerbelastung der betroffenen Firmen auf einen Schlag massiv an (in gewissen Kantonen würde sie sich mehr als verdoppeln). Die Schweiz könnte als Standort für Konzernhauptsitze international nicht mehr mithalten. Wollen die Kantone auch in Zukunft bedeutende Steuerzahler und Arbeitgeber behalten, müssen sie ihr Steuersystem anpassen.
Unterschiedliche Ausgangslagen in den Kantonen
Vom Wegfall der Sonderbesteuerung sind die Kantone ganz unterschiedlich betroffen:
Kantone mit vielen internationalen Firmen und hohem Normalsteuersatz:
- Durch den Übergang in die Normalbesteuerung bezahlen international tätige Firmen deutlich höhere Steuern. Diese Mehreinnahmen ermöglichen es den Kantonen, ihre Gewinnsteuer nach unten anzupassen.
Kantone mit einem bereits heute tiefen Normalsteuersatz:
- Die steuerliche Attraktivität ist auch ohne Sonderbesteuerung gewährleistet und es besteht ein geringerer Handlungsbedarf.
Kantone mit wenigen internationalen Firmen und hohem Normalsteuersatz:
- Weil nur wenige internationale Firmen in die Normalbesteuerung wechseln und mehr Steuern bezahlen, sind die finanziellen Möglichkeiten für allgemeine Steuersenkungen beschränkt. Diese Kantone sind deshalb auf neue, gezielte Lösungen angewiesen, um steuerlich weiterhin gute Rahmenbedingungen anbieten zu können.
Flexible Ersatzmassnahmen erlauben kantonal angepasste Lösungen
Da die Kantone sehr unterschiedlich betroffen sind, gibt es keine «one size fits all»-Lösung. Der Bund ergreift deshalb im Rahmen der Steuervorlage keine eigenen steuerlichen Massnahmen. Stattdessen wird bewusst ein kantonal flexibler Ansatz verfolgt:
- Die Kantone können freiwillig neue, international unbestrittene Sonderregelungen einführen: die Patentbox, ein Abzug für Forschung und Entwicklung, ein Abzug für Eigenfinanzierung; und/oder sie können die Gewinnsteuer senken (siehe Box). Kantonale Parlamente und allenfalls das Volk entscheiden über die Massnahmen.
- Der Bund profitiert massgeblich von der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit der Kantone. Er leistet deshalb einen finanziellen Beitrag von rund 1 Milliarde Franken an die Kantone. Die Kantone erhalten damit finanziellen Spielraum und können auch die Auswirkungen auf Städte und Gemeinden abgelten.
Dieses Paket ermöglicht es den Kantonen, den Übergang in die neue Steuerwelt so schonend wie möglich zu gestalten. Ohne die Bundesvorlage erhielten die Kantone keine finanzielle Unterstützung vom Bund. Das heutige Bundesrecht erlaubt es ihnen auch nicht, neue Sonderregelungen einzuführen. Die einzig mögliche Massnahme wäre eine Gewinnsteuersenkung. Gerade Gewinnsteuersenkungen sind für einige besonders betroffene Kantone aber sehr teuer.
Effekt der Steuervorlage: Steuerliche Angleichung von internationalen Firmen und KMU
Für international tätige Firmen wird es künftig keine Sonderbehandlung mehr geben. Ihre steuerliche Belastung wird deshalb ansteigen. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) schätzt die Mehrbelastungen trotz der geplanten Abfederungsmassnahmen der Kantone auf 2,4 Milliarden Franken. Setzen die Kantone ihre Pläne um, sinken dagegen die Steuern für ordentlich besteuerte Schweizer KMU (siehe Grafik 2). Im Durchschnitt aller Firmen in der Schweiz ergibt sich eine massvolle Senkung der Steuerbelastung von heute 14,1 Prozent auf 12,8 Prozent.
Grafik 2
Internationale Firmen bezahlen durch den Wegfall der Sonderbesteuerung höhere Steuern. Heute ordentlich besteuerte Firmen, insbesondere schweizerische KMU, werden durch die kantonal geplanten Massnahmen entlastet. Im Durchschnitt aller Firmen ergibt sich eine massvolle Entlastung.

Werkzeugkasten der Kantone
Patentbox
Die Patentbox fördert Innovation, indem Gewinne aus Patenten ermässigt besteuert werden. Sie wird seit Längerem von zahlreichen EU-Staaten angewendet. Im Rahmen der OECD haben sich die Staaten auf eine Ausgestaltung geeinigt, wonach die steuerliche Ermässigung nur greift, wenn die Forschung im Land selbst angesiedelt ist (Nexus-Ansatz). Reine Gewinnverschiebung ist nicht zulässig. Die Schweizer Patentbox hält sich an den OECD-Standard.
Abzug für Forschung & Entwicklung (F&E)
Für KMU lohnt sich ein Patentantrag nicht in jedem Fall, zudem ist die Patentbox gemäss OECD-Regeln administrativ aufwendig. Ergänzend können die Kantone deshalb einen Abzug für F&E einführen. Auch diese Massnahme ist international verbreitet und akzeptiert. Konkret können Firmen damit für die Löhne des Forschungspersonals einen um maximal 50 Prozent höheren Aufwand geltend machen.
Abzug für Eigenfinanzierung
Verschuldet sich eine Firma, wird das heute steuerlich belohnt. Schuldzinsen können als Aufwand vom steuerbaren Gewinn abgezogen werden. Arbeitet eine Firma hingegen mit dem Geld von Aktionären oder mit ersparten Mitteln (Eigenfinanzierung), ist kein Abzug möglich. Diese Ungleichbehandlung wird allgemein als falsch anerkannt. Eine neue Massnahme sieht deshalb vor, dass Firmen mit hoher Eigenfinanzierung ebenfalls einen Abzug auf ihrem eingesetzten Kapital machen können. Das ist fair und stärkt dank tieferer Verschuldung die Krisenfestigkeit der Unternehmen. Zudem kann eine hohe Mehrbelastung durch die Abschaffung von Sonderregeln für die Konzernfinanzierung verhindert werden. Das ist besonders wichtig für Kantone mit vielen solchen Firmen wie zum Beispiel der Kanton Zürich. Im Gegensatz zur Unternehmenssteuerreform III darf diese Massnahme aber nur von Kantonen angewendet werden, die ihren Gewinnsteuersatz auf einem hohen Niveau belassen.
Entlastungsbegrenzung
Die Kantone können selbst festlegen, wie stark die neuen Massnahmen wirken sollen. Sie können die Steuerermässigung für jede Massnahme einzeln einstellen und zusätzlich auch für die kumulierte Wirkung aller Massnahmen insgesamt. Die sogenannte Entlastungsbegrenzung stellt sicher, dass Firmen immer mindestens 30 Prozent des Gewinns im Kanton normal versteuern. Kantonale Nullbesteuerungen wie heute sind nicht mehr möglich. Die Bundessteuer bezahlen Firmen immer zu 100 Prozent.
Gewinnsteuersenkungen
Um weiterhin steuerlich wettbewerbsfähig zu sein, planen verschiedene Kantone, ihre Gewinnsteuersätze anzupassen. Einzelne Kantone sehen eine Senkung der Gewinnsteuer als Hauptmassnahme vor, andere als Ergänzung. Den Ausschlag gibt die jeweilige Ausgangslage. Was den Gewinnsteuersatz anbelangt, sind die Kantone völlig frei. Die Bundesvorlage enthält keine Vorgaben. Für internationale Firmen kann eine Gewinnsteuersenkung eine Teilkompensation für die Abschaffung der Sonderbesteuerung sein. Netto profitieren werden insbesondere schweizerische Firmen, die heute ordentlich besteuert sind. Es wäre das einzige Instrument, das die Kantone zur Verfügung hätten, wenn die AHV-Steuervorlage scheitern sollte.
Tabelle 1
Die AHV-Steuervorlage besteht aus einem ausgewogenen Mix. Die Kantone können freiwillig neue, international unbestrittene Sonderregelungen einführen. Der Bund leistet einen finanziellen Beitrag an Kantone und Gemeinden. Sozialpolitisch enthält die Vorlage eine AHV-Zusatzfinanzierung.


Transparenz der finanziellen Auswirkungen
Totalumbau zu massvollen und tragbaren Kosten
Der Bund ergreift mit der AHV-Steuervorlage keine eigenen steuerlichen Massnahmen. Dies tun nur die Kantone. Der Bund leistet stattdessen einen finanziellen Beitrag. Er passt die Einnahmeteilung bei der Bundessteuer um 1 Milliarde Franken zugunsten der Kantone und Gemeinden an. Das ist eine Hauptmassnahme. Die Kantone sind frei, wie sie die zusätzlichen Mittel einsetzen. Gleichzeitig bringt die Vorlage dem Bund Mehreinnahmen von rund 400 Millionen Franken (höhere Dividendenbesteuerung, Einschränkung Kapitaleinlageprinzip, geringere Abzüge für bezahlte Kantonssteuern). Die resultierenden Kosten von rund 600 Millionen Franken sind für den Bund gut tragbar; sie entsprechen weniger als einem Prozent seiner Einnahmen. Allein die Mehreinnahmen, die bei der Firmenbesteuerung bis 2022 geplant sind, kompensieren diese Kosten um das Doppelte.
Die Kantone können je nach Ausgangslage steuerliche Massnahmen aus dem Werkzeugkasten nutzen. Die Entscheidung fällt in einem politischen Beschluss auf Kantonsebene. Im Sinne der Transparenz haben die Kantonsregierungen ihre Pläne offengelegt. Gemäss diesen Plänen ergeben sich Kosten für Kantone und Gemeinden von insgesamt 1,4 Milliarden Franken. Auch dieser Betrag liegt unter einem Prozent der Einnahmen.
Steuerliche Wettbewerbsfähigkeit lohnt sich
Warum soll die Schweiz diese unmittelbaren Kosten in Kauf nehmen? Unbestritten ist, dass der heutige Zustand nicht haltbar ist. Firmen können die Sonderregeln, wie sie die Schweiz anbietet, nicht länger nutzen. Grundsätzlich sind in dieser Situation zwei Varianten möglich.
Variante «Nichts tun» bedeutet Aufgabe der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit:
- Die Sonderregeln werden aufgehoben oder die betroffenen Firmen wechseln von sich aus in die ordentliche Besteuerung, um Gegenmassnahmen im Ausland zu vermeiden. Kurzfristig ergäben sich in diesem Fall hohe Mehreinnahmen, da die Steuerbelastung der betroffenen Firmen massiv ansteigen würde. Gemäss einer Analyse der ESTV wäre dieser Weg aber nicht nachhaltig. Es müsste mit Reaktionen wie etwa Umstrukturierungen oder Verlagerung von Konzernfunktionen gerechnet werden, was mittelfristig zu Steuerausfällen führen würde. In einem durchschnittlichen Szenario betragen die Mindereinnahmen 1 Milliarde Franken (siehe schwarzer Pfad in Grafik 3)
Variante «Steuervorlage» bedeutet Erhalt der steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit:
- Kurzfristig ist diese Strategie mit Kosten verbunden. Die Schweiz kann dafür aber die positive Dynamik der Steuereinnahmen, wie sie für die letzten 20 Jahre typisch war (siehe Grafik 4), in Zukunft weiterführen. Sie bleibt ein attraktiver Standort für Investitionen, Innovation und hochproduktive Arbeitsplätze. Entsprechend werden die Kosten mittelfristig überkompensiert. Es resultieren keine Minder-, sondern Mehreinnahmen von im durchschnittlichen Szenario 1,4 Milliarden Franken (siehe oranger Pfad in Grafik 3).
Die Zahlen der ESTV belegen, es lohnt sich, die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten.
Die Steuervorlage ist der Alternative finanziell klar überlegen. Die ESTV hat dies unter unterschiedlichsten Annahmen geprüft und befunden:
«Die Überlegenheit der Steuervorlage zeigt sich über eine breite Bandbreite an Parameterspezifikationen».
Grafik 3
Die Eidgenössische Steuerverwaltung hat die Entwicklung der Steuereinnahmen über die Zeit geschätzt. Ohne Reform muss mittelfristig mit Verlusten gerechnet werden. Mit der Steuervorlage bleibt hingegen die positive Dynamik der letzten 20 Jahre erhalten (siehe auch Grafik 4).

Grafik 4
Die direkte Bundessteuer weist bei den Firmen eine eindrückliche Dynamik auf. 1990 bezahlten die Unternehmen nur halb so viel Bundessteuern wie die Privathaushalte, heute bezahlen sie im Vergleich zu den Haushalten höhere Beiträge. Grund ist insbesondere das Wachstum bei den gesondert besteuerten Firmen.

Anpassungen im Finanzausgleich des Bundes (NFA)
Im Ressourcenausgleich, dem grössten Gefäss des NFA, fliessen Mittel vom Bund und den finanzstarken Kantonen an die schwächeren Kantone. Heute wird die Sonderbesteuerung internationaler Firmen bei der Berechnung der Ausgleichszahlungen speziell berücksichtigt (sog. Beta-Faktor). Mit der Steuervorlage fällt die Sonderbesteuerung jedoch weg. Wird die Berechnung der Ausgleichszahlungen nicht angepasst, resultieren massive Verwerfungen, das heisst grosse Mehr- oder Minderbelastungen je nach Kanton. Um das zu verhindern, sollen zukünftig alle Unternehmensgewinne speziell in die Berechnungen einfliessen (sog. Zeta-Faktor). So werden die Ausgleichszahlungen im Vergleich zu heute möglichst stabil gehalten und ein geordneter Systemwechsel gewährleistet.
Ein Problem des Ressourcenausgleichs sind die verringerten Anreize der Kantone für eine attraktive Steuerpolitik. Heute verlieren 18 Kantone beim Zuzug von Firmen mehr Mittel im NFA, als ihnen durch zusätzliche Steuern zufliessen. Die Anreize für eine wettbewerbsfähige Steuerpolitik sind also äusserst mangelhaft. So ist etwa die schwierige Finanzlage im steuerlich attraktiven Kanton Luzern nicht zuletzt auch durch substanzielle Verluste im NFA begründet. Dieses Problem wird mit der Steuervorlage klar abgeschwächt. Trotz der geplanten kantonalen Steuersenkungen, und damit geringeren Einnahmen, dürften nur noch elf Kantone durch den NFA mehr Mittel verlieren. Die verbleibenden Verluste sind zudem deutlich geringer als heute. Werden die Gemeindesteuern mitberücksichtigt, machen nur noch zwei Kantone ein Negativgeschäft bei Firmenzuzügen.
Das Problem ist damit nicht gelöst. Im heutigen System haben finanzstarke Kantone viel bessere Anreize, sich steuerlich attraktiv aufzustellen, als dies bei finanzschwachen Kantonen der Fall ist. Über die Zeit kann sich dadurch die Schere zwischen starken und schwachen Kantonen zunehmend öffnen. Angesichts dieses Risikos sollte das Thema fundiert angegangen werden. Das Problem lässt sich jedoch nicht im Rahmen der vorliegenden Steuerreform lösen. Fehlanreize gibt es nicht nur bei Firmengewinnen, sondern auch bei den Einkommen von Privatpersonen. Eine einseitige Lösung bei den Firmen würde das Problem bei den Privatpersonen verschärfen. Eine grundlegende Verbesserung der Anreize ist prinzipiell nur möglich zum Preis einer tieferen Mindestsicherung für finanzschwache Kantone oder deutlich höherer Kosten für Bund und finanzstarke Kantone oder einer Mischung von beidem. Notwendig wäre somit eine umfassende Neuverhandlung des NFA.

Unvermeidbare AHV-Zusatzfinanzierung
Alterung der Gesellschaft als akute finanzielle Herausforderung
Mit der AHV hat die Schweiz ein weiteres dringendes Problem. Das Sozialwerk steht vor einer gewaltigen finanziellen Herausforderung. Ursachen sind die steigende Lebenserwartung und die in Pension gehenden «Babyboomer»-Jahrgänge. Zwischen 2015 und 2040 erhöht sich die Zahl der Rentner von 1,5 auf 2,6 Millionen. Das Verhältnis von Beitragszahlern zur Anzahl Rentner wird sich damit dramatisch verschlechtern. Gab es bei der Einführung der AHV im Jahr 1948 noch 6,5 Beitragszahler pro AHV-Rentner, werden es 2035, wenn ein Grossteil der «Babyboomer» pensioniert ist, gerade noch 2,3 sein. Die finanzielle Situation der AHV verschlechtert sich stetig. Bereits 2025 beträgt das vom Bundesamt für Sozialversicherungen prognostizierte Betriebsdefizit der AHV 3 Milliarden Franken. Wenn nichts unternommen wird, ist der AHV-Fonds 2030 leer (siehe Grafik 5). 2035 schreibt die AHV ein voraussichtliches Betriebsdefizit von 13,7 Milliarden Franken innerhalb eines einzigen Jahres. Beim wichtigsten Sozialwerk der Schweiz lässt sich der heutige Zustand somit unmöglich aufrechterhalten.
Grafik 5
Mit der Pensionierung der grossen «Babyboomer»-Jahrgänge zahlt die AHV immer mehr Renten aus. Ohne Gegenmassnahmen führt dies zu stetig wachsenden Defiziten. Die Reserven im AHV-Fonds sind bereits 2030 aufgebraucht.

Die stetige Verschlechterung der AHV-Finanzen ist seit Langem absehbar. Zahlreiche Reformversuche misslangen jedoch. Die 11. AHV-Revision wurde 2004 vom Volk abgelehnt und scheiterte in einem zweiten Versuch 2010 im Parlament. Auch eine Erhöhung der AHV-Renten, wie sie die Volksinitiative «AHVplus» forderte, ist beim Volk 2016 nicht durchgekommen. 2017 wurde schliesslich mit der «Altersvorsorge 2020» der aktuellste Reformversuch in einer Abstimmung abgelehnt.
Zur Sicherung der AHV-Renten auf heutigem Niveau stehen zwei Hebel zur Verfügung: strukturelle Massnahmen, etwa die Erhöhung des Referenzalters, sowie Zusatzfinanzierungen. Angesichts der politischen Ausgangslage und der gewaltigen Finanzierungslücke ist klar: beide Hebel müssen betätigt werden. Die Angleichung des Rentenalters der Frauen auf 65 würde im Jahr 2030 Einsparungen von 570 bis 950 Millionen Franken bringen (je nach Umfang der Ausgleichsmassnahmen gemäss Stabilisierungsvorlage AHV 21). Das prognostizierte Betriebsdefizit der AHV beträgt im gleichen Jahr aber 7'600 Millionen Franken. Eine zusätzliche Finanzierung der AHV ist neben weiteren strukturellen Massnahmen deshalb unvermeidbar.
AHV-Zusatzfinanzierung als sozialer Ausgleich zur Steuervorlage
2017 scheiterte die Unternehmenssteuerreform III vor dem Volk. Als Zugeständnis an die Referendums-Gewinner verknüpfte der Bundesrat die Nachfolgevorlage mit einem «sozialen Ausgleich». Vorbild war die mit 87 Prozent angenommene Waadtländer Reform. Die vorgeschlagene Erhöhung der Familienzulagen konnte jedoch politisch nicht überzeugen. Die von Links stattdessen geforderte deutlich höhere Besteuerung von Dividenden stiess auf breite Kritik bei Bürgerlichen und es wurden Referendumsdrohungen von Gewerbe und Familiengesellschaften lanciert. Bei Fehlen eines spürbaren sozialen Ausgleichs und höherer Dividendenbesteuerung wurde ein erneutes Referendum vonseiten SP und Gewerkschaften angedroht. Eine Beschränkung der Vorlage auf die Abschaffung der Sonderbesteuerung ohne Hilfspaket an die Kantone hätte den interkantonalen Steuerwettbewerb beim Gewinnsteuersatz drastisch verschärft. Für die kantonalen Finanzdirektoren war das nicht tragbar. Die politische Lösung fand das Parlament schliesslich in einer ohnehin notwendigen AHV-Zusatzfinanzierung. Eine Alternative mit vergleichbar breiter politischer Unterstützung wurde von keiner Seite vorgelegt.
Geringere Belastung der Haushalte dank Beitrag der Wirtschaft und des Bundes
Als Beitrag zur Stabilisierung des Sozialwerks beinhaltet die AHV-Steuervorlage eine Zusatzfinanzierung durch:
- einen Arbeitgeber-Lohnbeitrag von 0,15 Prozent (600 Millionen Franken),
- einen Arbeitnehmer-Lohnbeitrag von 0,15 Prozent (600 Millionen Franken),
- und eine Erhöhung des Beitrags des Bundes (820 Millionen Franken).
Auch ohne AHV-Steuervorlage plant der Bundesrat eine substanzielle Zusatzfinanzierung der AHV. Im Rahmen der Stabilisierungsvorlage AHV 21 sollen zusätzliche 1,5 Prozentpunkte Mehrwertsteuer in die AHV fliessen (rund 5 Milliarden Franken). Ein Beitrag der Arbeitgeber oder des Bundes ist bei der Reform AHV 21 nicht vorgesehen.
Gemäss Bundesrat kann bei einem Gelingen der AHV-Steuervorlage die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,8 Prozentpunkte geringer ausfallen (über 2 Milliarden Franken). Die Privathaushalte würden bei AHV 21 also substanziell weniger belastet. Tabelle 2 zeigt auf, wie sich das konkret auf verschiedene Haushalte auswirkt. Die Entlastung der Privathaushalte bei AHV 21 ist durchwegs grösser als die Belastung durch die AHV-Steuervorlage. Grund ist der Beitrag von Arbeitgebern und Bund. Je nach Einkommensklasse beträgt die resultierende Entlastung 144 bis 390 Franken pro Jahr.
Die vorgesehene AHV-Zusatzfinanzierung ist für die Privathaushalte vorteilhaft. Für die Unternehmen bedeutet sie eine Belastung durch die Verteuerung der Lohnkosten, beim Bund eine zusätzliche Bindung bisher freier Mittel (für die AHV). Klar ist, die Wirtschaft kann diese Zusatzfinanzierung mittragen, weil gleichzeitig die Attraktivität des Steuerstandorts gesichert wird. Bei einem Scheitern der AHV-Steuervorlage könnte die Wirtschaft zusätzliche Lohnbeiträge und höhere Bundesgelder nicht akzeptieren.
Tabelle 2
Mit der AHV-Steuervorlage kann die AHV-Finanzierung im Rahmen der Stabilisierungsvorlage AHV 21 geringer ausfallen. Die Entlastung der Privathaushalte bei AHV 21 ist durchwegs grösser als die Belastung durch die AHV-Steuervorlage. Grund ist der Beitrag von Arbeitgebern und Bund.

Strukturelle Massnahmen weiterhin nötig
Die AHV-Steuervorlage leistet einen Beitrag an das akute Finanzierungsproblem der AHV. Klar ist jedoch: Für eine nachhaltige Stabilisierung sind strukturelle Massnahmen unabdingbar. Parallel läuft die Stabilisierungsvorlage AHV 21 weiter. Der erste Reformentwurf stützte sich noch zu 90 Prozent auf Zusatzeinnahmen. economiesuisse verlangt stattdessen einen ausgewogenen Mix aus finanzpolitischen und strukturellen Massnahmen. Die Botschaft des Bundesrates zu AHV 21 wird im Frühling 2019 erwartet.
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